1. Erfolg
  2. Beruf
  3. Homeoffice: Auf so viel Einkommen würden Menschen verzichten, um von zuhause aus zu arbeiten

Arbeitsort

Auf so viel Einkommen würden Menschen fürs Homeoffice verzichten

US-Arbeitnehmer würden fürs Homeoffice-Privileg eher auf Gehalt verzichten als Deutsche. Jeder Zehnte dort ist bereit, deutlich weniger zu verdienen.Jannik Deters 28.04.2025 - 09:02 Uhr
Foto: IMAGO/Zoonar

Mag es schwer sein für neue Mitarbeiter, sich zu integrieren, wenn sie niemanden persönlich treffen. Mögen Führungskräfte noch so sehr um Präsenz im Büro bitten, Unternehmen sie noch so sehr einfordern. Für viele Arbeitnehmer ist das Homeoffice eine Bastion der Gestaltungsfreiheit, auf die sie nicht mehr verzichten wollen. Lieber verdienen sie weniger.

Das ist zumindest das Ergebnis einer Studie aus den USA, die vor einigen Monaten im „Journal of Economics & Management Strategy“ erschienen ist. Sie belegt, wie groß das Bedürfnis der Beschäftigten nach flexibler Arbeit von zu Hause aus ist. Das Forscherteam befragte seit Beginn der Coronapandemie mehr als 2000 amerikanische Angestellte: Würden Sie theoretisch auf einen Teil Ihres Gehalts verzichten, wenn Sie dafür weiter von zu Hause arbeiten könnten? Und wo läge die Schmerzgrenze?

Die Frage ist hypothetisch. Die Ergebnisse sind trotzdem überraschend. Vier von zehn Beschäftigten halten das Homeoffice für so wertvoll, dass sie dafür auf mindestens fünf Prozent ihres Einkommens verzichten würden. Bei jedem fünften Studienteilnehmer sind es zehn Prozent und bei jedem zehnten gar 20 Prozent.

Deutsche Beschäftigte hängen mehr am Geld. Laut einer exklusiven Civey-Umfrage für die WirtschaftsWoche würden in Deutschland lediglich 16 Prozent Gehaltseinbußen hinnehmen, um im Homeoffice zu bleiben. Civey befragte dafür Mitte April rund 2000 Berufstätige, für die Homeoffice möglich ist, also keine Berufsgruppen wie Lehrer oder Ärzte.

Gefragt nach dem Umfang des Verzichts gab die Hälfte derer, die Einbußen in Kauf nehmen würden, an, zumindest fünf Prozent ihres Gehalts für Homeoffice aufgeben zu wollen. Drei Prozent wären mit bis zu 20 Prozent weniger zufrieden.  Vier Prozent würden noch darüber hinausgehen.

Kanzlei in London führte Lohnverzicht für Homeoffice ein

In den USA wären deutlich mehr Menschen bereit, im Homeoffice auf Gehalt zu verzichten – und reine Theorie ist das Gedankenspiel nicht. Die 20 Prozent Lohnverzicht für 100 Prozent Homeoffice hat vor drei Jahren ein Londoner Unternehmen tatsächlich eingeführt. Die Großkanzlei Stephenson Harwood bot seinen Mitarbeitern diesen Deal mit sattem Abschlag an. Die hybride Variante ohne Anpassungen sah vor, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zu zwei Tage die Woche von zu Hause arbeiten können. In dem anderen Modell konnten abgesehen von den Partnern der Kanzlei alle vollständig im Homeoffice bleiben, erhielten dafür aber lediglich 80 Prozent des ursprünglichen Gehaltes.

Stephenson Harwood erklärte damals gegenüber der BBC, das Unternehmen habe während der Pandemie einige Mitarbeiter von außerhalb Londons zu einem niedrigeren Gehalt eingestellt, um die geringeren Kosten des Pendelns in die Hauptstadt zu berücksichtigen. Ob das Modell noch gilt und wie es bei den Mitarbeitern ankam, wollte Stephenson Harwood auf Anfrage der WirtschaftsWoche nicht kommentieren.

Wer das Homeoffice am meisten genießt

Unternehmen, die auf eine Rückkehr ins Büro pochen, verprellen womöglich Mitarbeiter, die strikt dagegen sind – und zur Not einen schlechter bezahlten Job annehmen. Die US-Studie fächert die Antwortgeber nach mehreren Gruppen auf. Diejenigen, die nach eigenen Angaben am produktivsten im Homeoffice arbeiten, sind auch am ehesten bereit, Gehaltsanteile zu opfern, um ihren Heimarbeitsplatz zu halten. Fast 60 Prozent der Menschen mit hoher Produktivität daheim würden auf fünf Prozent Gehalt verzichten, gut ein Viertel auf zehn Prozent.

Bei den Menschen mit geringer Produktivität sind alle Werte unterdurchschnittlich. Nur die Menschen über 50 sind ähnlich zurückhaltend, Kürzungen in Kauf zu nehmen. Sie legen insgesamt weniger Wert auf Homeoffice.

Frauen zeigten sich gegenüber der 20-prozentigen Gehaltskürzung offener als Männer. Die Forscher um Zoë Cullen und Christopher Stanton von der Harvard Business School gingen zunächst davon aus, dass dies an den Verpflichtungen und der Geschlechteraufteilung in der Kinderbetreuung liege. Ob jemand die Hauptbetreuungsperson für das eigene Kind ist oder keine Kinder hat, macht jedoch keinen großen Unterschied. Schon eher, wie lange jemand bereits für ein Unternehmen arbeitet. Insgesamt ist die Bereitschaft, sich auf ein geringeres Gehalt im Homeoffice einzulassen, umso größer, je kürzer jemand an Bord ist. Dies könnte darauf hindeuten, dass diejenigen, die noch nicht lange dabei sind, den Job vor allem wegen der Homeoffice-Möglichkeit angenommen haben oder das Gemeinschaftsgefühl mit den Kollegen im Büro (noch) nicht zu schätzen wissen.

Lesen Sie auch: Ein Workshop zum Abschied